Einsatzbericht von Dr. Edgar Lauser in Banjhakateri (Herbst 2019)

 

 

Dies war bereits die vierte Nepalreise bei der ich dankbaren, armen Menschen helfen konnte, ihre Schmerzen mitsamt den verursachenden Zähnen loszuwerden. Diesmal auf Einladung des Vereins DESOCA (Dental and social care), der mit der einheimischen Organisation Nepal Help in Kathmandu zusammenarbeitet. Von hier starteten meine nepalbegeisterte Kollegin Ines Bergmann aus Berlin (9 Trekkingtouren), unser Fahrer und ich im vollgepackten Jeep gegen 6:30 Uhr. Kurz danach stieg noch die einheimische Dentalhygienikerin Asmita zu, und wir fuhren in nordwestlicher Richtung. Sobald wir etwas bergiges Gebiet erreichten, ging es meist nur zäh voran. Durch die ungewöhnlich lange Regenzeit waren einige Abschnitte durch Baustellen und Erdrutsche nur einspurig befahrbar. So mussten wir nach 12h Fahrt vor Einbruch der Dunkelheit eine Übernachtungspause einlegen. Am nächsten Morgen ging es die letzten 50 km, teilweise durch schwieriges Gelände, manchmal im niedersten, untersetzten Gang. Nach etwa zweieinhalb Stunden erreichten wir in der Provinz Gulmi unser Bergdorf Banjhakateri auf 2000m Höhe. Dazu ist anzumerken, dass bei den Nepali nur das Berg heißt, was das ganze Jahr schneebedeckt ist, alles andere sind Hügel. Die Strecke bis zum echten nepalischen Berg (über 8000m) betrug etwa 50km Luftlinie.

 

Der Empfang im „Health Post“, einer Art Praxis mit vier Betten, gestaltete sich überaus herzlich mit Auftragen des roten Punktes (Tika) auf die Stirn. Der Post wurde vom Bremer Verein Brepal 2015 eingeweiht und dient der ärztlichen Versorgung der sehr zerstreut wohnenden Dorfbevölkerung (4000-5000 Einwohner). In einem Raum befindet sich ein komplett eingerichteter zahnärztlicher Behandlungsplatz. Nachdem wir uns mittags landestypisch mit Dal Bhad (Reis mit Linsensuppe) und biologisch angebautem Gemüse gestärkt hatten, ging es sogleich ans Werk, da bereits 15 Patienten warteten. Die schmerzenden Zähne, bzw. was von ihnen noch übrig war, konnten meistens nur noch entfernt werden. Selten war eine Füllung möglich.

 

Manche Patienten mussten lange Fußwege in Kauf nehmen. Am nächsten Tag kamen 19 Personen in und auf einem Jeep an, einige davon auch zur ärztlichen Versorgung. Um den Ansturm zu bewältigen nutzte ich zusätzlich eine ärztliche Behandlungsliege für Zahnentfernungen. Das führte zwangsläufig zur ergonomischen Arbeitsweise nach Prof. Schön: sitzend am liegenden Patienten. Nur zur Versorgung kleinerer Wunden musste ich einige Male den Platz kurz für das medizinische Team freimachen. So konnten wir an einem Tag 68 geduldigen, dankbaren Patienten helfen, indem wir 85 Zähne entfernten, und Ines einige Füllungen legte. Dabei war Asmita mit Assistenz und Dolmetschen (Englisch-Nepali) schwer beschäftigt. Wir versuchten deshalb mit wenig Unterstützung auszukommen. Gebrauchte Instrumente, die wir mitbrachten, wurden dankbar entgegengenommen. Einem ärztlichen Teammitglied entfernten wir den Zahn 64 und klebten ihn als Brückenglied ein. Bei den Schmerzpatienten fanden wir so gut wie keine Abszesse, dafür einige große Granulome. Während meiner zweiten Osteotomie ging das zahnärztliche Nahtmaterial zu Ende und ich bekam eine große Nadel vom medizinischen Team gereicht. Der Nadelhalter dagegen war eher zierlich. Bei den 346 Extraktionen mussten wir lediglich einen Patienten wegen Nachschmerzen behandeln.

 

Nach dem Arbeitsende entspannten wir uns bei einem Dorfspaziergang wie in einer anderen Welt. Die Menschen leben überwiegend von der Landwirtschaft, die größtenteils an Hängen terrassenförmig betrieben wird. Die Leute begrüßten uns alle freundlich. An einem Vormittag wanderte ich mit Ganga, der auch für den Gemüseanbau für den Health Post verantwortlich ist, 3,5 km talwärts zur Sekundarschule mit etwa 250 Schülern zwischen 5 und 15 Jahren. Es war der letzte Tag vor den Ferien. Alle hatten sich in Reih und Glied aufgestellt. Ein Trommler gab den Takt an, und zum Schluss wurde die Nationalhymne gesungen. Dann durfte ich die Bühne betreten und mit Anschauungsmaterial erklären, wofür wir Zähne benötigen, und wie sie gesund bleiben. Ganga hat begeisternd übersetzt.

 

Insgesamt konnten wir in sechs Tagen 266 Patienten behandeln durch 342 Zahnentfernungen und 35 Füllungen. Obwohl sich das Wetter überwiegend neblig und regnerisch zeigte, verging die Zeit wie im Fluge und erscheint uns rückblickend fast wie ein Märchen. Wir kamen als Ärzte und wurden vom engagierten, hilfsbereiten Team wie Freunde verabschiedet. Die Dorfbewohner, das Team und wir Behandler freuen uns sehr, wenn durch diesen Bericht Kollegen oder Kolleginnen zum Hilfseinsatz motiviert werden können oder durch Spenden dieses Vorzeigeprojekt ausgebaut und fortgeführt werden kann.

 

 

(Zahnarzt Dr. Edgar Lauser aus Eberbach)