Zahnmedizinischer Einsatz in Bigu/Nepal (September 2018)

Nachdem ich 2012 schon einmal für „Zahnärzte in Indien“ unterwegs war und mit vielen wunderbaren Eindrücke und Erfahrung im Gepäck nach Hause kam, lies mich der Gedanke nicht mehr los, noch einmal meinen Horizont zu erweitern. Mein Interesse am Buddhismus und der asiatischen Kultur sowie meiner Liebe zu den Bergen führte mich dann schließlich 2018 zu einem medizinischen Einsatz nach Nepal.

Bei der Recherche nach einer vertrauenswürdigen Organisation bin ich dann Anfang des Jahres auf den Brepal e.V. gestoßen, die gemeinsam mit dem DESOCA e.V. (Dental and social care for Nepal) und dem Partnerverein "Nepalhelp" aus der Hauptstadt Kathmandu in Bigu, einem kleinen Dorf fern von Warmwasser-Anschlüssen und Stromanbindung, medizinisch-zahnmedizinische  Einsätze durchführen. Seit dem großen Erdbeben von 2015 richten die beiden Organisationen dort eine ärztliche Versorgungsstation ein. Hier sollte dann auch mein Einsatz erfolgen.

Sofort konnte ich meine Freundin Rosa, die eine erfahrene Allgemeinmedizinerin ist, dafür begeistern und der Flug war am 26.9.2018 gebucht! 

Aufgrund der sehr guten Organisation durch den Verein, fühlten wir uns vom Flughafen bis zum Ankommen auf 2500m in Bigu Gompa während der ganzen Reise sehr sicher ! Krishna, von Nepalhelp, kümmerte sich auch sehr rührend um uns!

Unser Fahrer stand unerwartet schon um 5:50 vor unserer Tür! Oh je ... deutscher Stress ... von einem Nepali?! Kathmandu schlief noch regelrecht! Diese staubig-dreckig-wuselige und verrauchte Stadt hat dennoch ihren faszinierenden Charme! Es duftet nach Räucherstäbchen, Dhal, Curry und Rauch von den Snacks auf den Straßen! Ein permanentes Hupen begleitete uns bis zum Aufstieg nach Bigu! Erstaunlicher Weise passierte nichts! Ordnung im Chaos? Aber es funktioniert! Nur uns Europäer stresst es...

Anschließend haben wir dann Asmita, die zahnmedizinische Assistentin, die gerade auch Zahnmedizin studiert, sowie Kumari, unsere zauberhafte Köchin und ihre Schwester eingesackt, mit denen wir dann zu viert hinten im Auto saßen! Die beiden haben seelenruhig geschlafen !

Bis Singati haben wir es dann an diesem Tag zu unserer sogenannten „Basic-Unterkunft“ geschafft! Dieser im Kessel gelegene vom Singatifluss genährte Ort ist eigentlich nicht spektakulär, hatte aber auch seinen Charme! Auf jeden Fall hat uns das Chapati mit Dhal und Gemüse gut gemundet! Da konnte man vielleicht auch etwas von dem Schimmel an der Wand und dem „einfachen Bad“ hinwegsehen!

Unser Fahrer hat uns dann am nächsten Morgen gegen 7:00 Uhr noch ein Stück gefahren. Plötzlich ging es nicht mehr weiter, da der Monsun die Straße überschwemmte! Erstmal wurde beraten ... Wenn man fragte, wie lange es noch dauern würde ... war die Antwort meistens .. 1h! Alles dauert immer 1h!

Wir sind dann über eine Hängebrücke mit Sack und Pack zum nächsten Auto und dann ging es wieder weiter mit dem Durchgeschuckel! Nur die Kühe mussten durch den reißenden Fluss! Die waren dann auch nicht schneller als wir mit dem Auto!

Zunächst war der Aufstieg gekennzeichnet durch Pinienbäume, tropenartige Pflanzen mit Symbiosen, tiefem Grün, hoher Luftfeuchtigkeit und einem Konzert von Vögeln, Grillen und anderen nicht zuzuordnen animalischen Geräuschen! Die Sherpajungs rannten zunächst an uns vorbei und saßen wie beim Igel-Hasen-Spiel auf einer Mauer, Stein oder am Wegesrand vor uns! Hinter uns folgten die 3 Mädels in ihren dünnen Sandalen bzw. Flipflops und Kleidchen ... und wir in Outdoorbekleidung! Und was zeigte uns das wieder?? Alle kommen ans Ziel! Auch ohne großartigen Outdoor-Schnickschnack!

Bei Einbruch der Dunkelheit, völlig durchnässt, mit Blutegeln in der Hose und etwas k.o, erblickten wir nach 10-stündig stetigem bergauf und mit 10kg Gepäck, endlich das Kloster von Bigu! Dort wurden wir von einem köstlichen Dhal Bhat, das wir jeden Tag bekamen und welches das Beste auf der ganzen Reise war, begrüßt!

Alle Anstrengungen waren vergessen, als wir am darauffolgenden Morgen durch die Trompeten der Nonnen, und den Blick vom Klostergelände, über die saftig grünen Berge und Weite über das Tal in den Tag starteten! Wahnsinn, und nur einen Katzensprung von Tibet entfernt!

Die Arbeitstage im Healthpost gingen von Sonntag bis Freitag! Jeden Morgen um 9:00 warteten wir auf unsere Patienten, die man schon von Weitem den Berg, meist in Gruppen, hinaufkommen sah. Rosa hatte im medizinischen Bereich mehr zu tun als ich … naja , niemand auf der Welt geht wohl gern zum Zahnarzt! Die zahnmedizinische Einheit war mit Hilfe von Gerd Korves und seinen Mitarbeitern, sehr gut ausgestattet! Es fehlte, außer einem Notstromaggregator und einem Röntgengerät, an Nichts! Alles wurde dokumentiert, war gut sortiert und in regelmäßigen Abständen kamen Anrufe aus Deutschland, ob alles in Ordnung sei. Unser Besuch wurde sogar durch den lokalen Radiosender verkündet, um die Dorfbewohner auch aus entlegeneren Regionen über unseren Einsatz zu informieren.

Irgendwann habe ich dann eine Zeit lang sogar ohne Wasserkühlung mit Asmita behandeln müssen, denn das Wasser ging mitten in einer Füllungsbehandlung aus, als sich in der Front nach der Kariesexkavation ein Riesenkrater gebildet hatte. Aber mir kam zum Glück die Idee den Zahn mit einer 15 ml Spritze zu befeuchten! Die arme Patientin war 6 h unterwegs, um zu uns zu kommen! Da kann man nicht einfach sagen „Na, dann kommst du halt morgen nochmal“! Hat zwar lange gedauert, aber ging dann doch! Auf jeden Fall haben wir viel gelacht!

Die Patienten sind aber sehr angenehm und haben meist gar nicht (wie erwartet) sehr viel Karies ... der Zahnstatus ist erstaunlicherweise meist besser als bei uns! Naja, in Nepal gibt es ja auch außer Weizenmehl, Linsen, Reis, Gemüse, Wasser und manchmal Dinge, die aus Kathmandu mit sehr viel Aufwand hochgetragen werden, meist nicht mehr... vor allem nicht viele Süßigkeiten!

Obwohl für Rosa und Prem (Medicalassistent) das „Outdoor-Wartezimmer“ gefühlt aus allen Nähten platzte und es einige Kinder gab, die eine Prophylaxe benötigten, wollten nur Wenige zum zahnärztlichen Check-Up, geschweige denn zur Prophylaxe! Bei einigen mussten, wie immer, Zähne gezogen werden! Aber irgendwie wollten die Dorfbewohner das nicht so wirklich! Es war oft eine Diskussion wie ein Fass ohne Boden: “Ja-Nein-ja-nein“. Dann standen plötzlich, wie im Hühnerstall, 5 Frauen im Behandlungszimmer und es wurde eifrig weiter diskutiert! Nach der ersten Extraktion der Ältesten haben sie dann doch gemerkt, dass es gar nicht so schlimm ist und sich dann doch überzeugen und sich ihre zerstörten Zähne ziehen lassen! Stress kommt auf! Haben nur noch 30 min Strom und es wird im Akkord Zahnstein entfernt und Füllungen gelegt! Haben so viele Zähne gezogen, dass wir keine Hebel mehr hatten! Asmita studiert in Kathmandu Zahnmedizin und hat das Gleiche know-how, wie die Studenten in Deutschland. Sie war wirklich eine große Hilfe.

Hier die wichtigsten Standardsätze, die sie mir beigebracht hat, um sich mit den Patienten zu verständigen:

Name Ka Ho?- Wie heißt Du
Raamro- gut
Scaling- shaba garna
Basnus- Setz Dich!
Dukhschaa Daath -Zahnschmerzen 
Daath Nikalny- Zahn ziehen 
A garnus -Öffne Deinen Mund

 
Ich habe in den 10 Tagen insgesamt 151 Zähne gezogen und 88 Füllungen gelegt! Am letzten Tag wurden wir noch mit einem Abschiedsgeschenk einer älteren Dame, der ich einen Zahn gezogen habe, in Form einer Hand voll Chillies beglückt! Habe dann von ihrer Familie mit der Polaroid Bilder gemacht und sie ihr geschenkt! Das zufriedene und ehrliche Lächeln der 5 Nepalis war ein so großartiges Geschenk! Ein wundervoller „Abschied“!

Dr. Claudia Jensch (Zahnärztin) und Rosa Garst (Medizinerin)